EIN ABEND MIT ANNETTE PAULMANN & LUIS RUBY

Zum 100. Geburtstag von Clarice Lispector, der Ikone der brasilianischen Literatur, liegen nun alle ihre Erzählungen auf Deutsch vor, neu bzw. erstmals übersetzt von Luis Ruby. Sie sprengen alle Grenzen der Konvention, des Denkens und der Sprache. So humorvoll wie tiefgründig erzählen sie von weiblicher Lust, dem Begehren im Alter, von der Kompliziertheit des Lebens und der unendlichen Freiheit des Schreibens. Dieser Abend soll uns Clarice Lispector näher bringen, die Stationen ihres wechselvollen Schicksals ebenso wie die Grundmotive ihres Schreibens.

Clarice Lispector wurde 1920 als Tochter jüdischer Eltern in der Ukraine geboren und wuchs im ärmlichen Nordosten Brasiliens auf. Sie studierte Jura, arbeitete als Lehrerin und Journalistin und führte als Diplomatengattin ein ebenso glamouröses wie rebellisches Leben. Bereits ihr vielfach beachteter Debütroman »Nahe dem wilden Herzen« brach 1944 klar mit allen Regeln konventionellen Schreibens. Von Krankheit und Tablettenkonsum zerstört, starb Lispector 1977 mit nur 56 Jahren in Rio de Janeiro.

Bereits zum 15. Mal zeigt das Underdox Filmfestival in München sein Programm aus Dokumentation und Experiment, auch in diesem Jahr wieder mit portugiesischen Filmen.

Armour (PT/ CA 2020, 30min, engl., franz. OmeU)

Die Einstellungen zeitloser Landschaften und verschlafener Vororte dauern meist nur wenige Sekunden. Gelegentliche Inserts verknüpfen die Bilder mit der Geschichte von Hector, der allmählich die Kontrolle über sein Leben verliert. Trunken taumelt er in einer Ritterrüstung durch die Gegend von Rimouski (Québec), während er sich von der Welt entfremdet, fast wie am Vorabend des Jüngsten Gerichts.

Regisseur Sandro Aguilar (geb. 1974 in Angola, aufgewachsen in Portugal) zählt zur „shorts generation“, einer Gruppe Filmschaffender, die dem Kurzfilm neue Berechtigung verleihen.

A Dança do Cipreste (PT 2020, 37 min, port., engl. OmeU)

Ein Feld: Blumen – Gelb – Insekten. Das Gesicht einer Frau erscheint im Close-up, in die Kamera starrend, dazu Barockmusik. Mit Kohle zeichnet die Frau erotische Szenen und sexuelle Zweikämpfe auf die Steine. Szenenwechsel: Eine Meeresküste und deren demütige Bewohner: Seesterne, Seetang, Muscheln, Mollusken. Die Kunst erscheint wollüstig und um sie herum tobt das ekstatische Leben in voller Wucht. Just open your eyes! (FID Marseille)

Die Regisseur:innen Francisco Queimadela & Mariana Caló arbeiten seit ihrem Studium an der Academy of Fine Arts in Porto zusammen. Seit zehn Jahren präsentierten sie ihre Arbeiten auf internationalen Ausstellungen und Filmfestivals.

Lebenszeichen aus dem Land, das von der Corona-Pandemie derzeit am zweitstärksten betroffen ist: Luiz Ruffato, zweifellos eine der wichtigsten literarischen Stimmen aus Brasilien, stellt bei einer Online-Lesung die unveröffentlichte Kurzgeschichte „Glücksspiel, Wasser, Feuer, Schmerz“ vor, übersetzt von Michael Kegler. Im Anschluss gibt es die Möglichkeit, per Chat an einer Diskussion mit dem Autor teilzunehmen.

Luiz Ruffato wurde 1961 in Cataguases, Minas Gerais, geboren. Er arbeitete u.a. als Verkäufer und Mechaniker und studierte Journalismus. Ruffatos Romane (auf dt. bei Assoziation A erschienen) beleuchten kritisch die starken sozialen Unterschiede in Brasilien, indem sie die Perspektiven derer einnehmen, die sonst nicht zu hören sind. Für ihn ist das Schreiben verpflichtendes Engagement. Der Schriftsteller lebt in São Paulo.

Der Übersetzer Michael Kegler wurde 1967 in Gießen geboren und hat einen Teil seiner Kindheit in Liberia und Brasilien verbracht. Er arbeitete als Buchhändler und Journalist und übersetzt seit Ende der Neunzigerjahre aus dem Portugiesischen.

Der Autor und sein Übersetzer wurden 2016 mit dem Internationalen Hermann-Hesse-Preis ausgezeichnet.

— Aufgrund der pandemischen Entwicklung und der damit verbundenen Schließung des Kinos, musste das Festival leider abgesagt werden. Wir bedauern dies sehr und bedanken uns für Ihr Verständnis.—

Im Rahmen des 4. Brasilianischen Frühlingsfestival werden am Sonntag, 22. März, zwei Filme gezeigt, die auf das literarische Werk von Luiz Ruffato zurückgehen.

18:00h

ESTIVE EM LISBOA E LEMBREI DE VOCÊ

Spielfilm nach dem gleichnamigen Roman von Luiz Ruffato. Erzählt wird die Geschichte von Sérgio de Souza Sampaio aus Cataguases, Minas Gerais, der nach einer Reihe von Enttäuschungen beschließt, nach Portugal zu ziehen. Dort will er Geld verdienen und später nach Brasilien zurückkehren. Das Leben in Lissabon zeigt ihm die schwierige Lage eines Einwanderers, die sich stark von seinen Träumen unterscheidet.

OmenglUT (Drama BR/PT 2016, 1h34)
Regie: José Barahona

19:45h

REDEMOINHO

Der Film behandelt Geschichten aus dem Opus von Luiz Ruffato, Vorläufige Hölle. Am Weihnachtsabend treffen sich zwei Freunde aus Kindheitstagen wieder. Die Begegnung spült ein gemeinsames Trauma an die Oberfläche. Das intensive Treffen der beiden bietet die Möglichkeit die unterschiedlichen Wege der Freunde neu zu bewerten, über Erinnerungen, Reue und Freundschaft zu sprechen.

OmU (Drama BR 2016, 1h40)
Regie: José Luiz Villamarim

Im weiteren Programm des 4. Brasilianischen Frühlingsfestivals werden ein Dokumentarfilm, sowei Dramen und Komödien gezeigt. Außerdem gibt es täglich Live-Musik (Vando Oliveira am Freitag und Luan Fernando am Samstag und Sonntag) und kulinarische Spezialitäten aus Brasilien.

Freitag, 20. März
20:30h Simonal

Samstag, 21. März
16:30h Amizade – Teokoayhu
18:30h Oração do Amor Selvagem
20:30h Maria do Caritó

Sonntag, 22. März
16:00h Se eu fosse você 2

— Aufgrund der pandemischen Entwicklung und der damit verbundenen Absage der Lesereise durch die Autorin, muss die Lesung leider abgesagt werden. Wir bedauern dies sehr und bedanken uns für Ihr Verständnis. —

In ihrem autobiografischen Bericht, Roter Staub. Mosambik am Ende der Kolonialzeit (2019, Weidle Verlag), setzt die portugiesische Schriftstellerin Isabela Figueiredo sich sehr persönlich und kritisch mit dem portugiesischen Kolonialismus in Mosambik auseinander.

Die Erzählerin wuchs als junges Mädchen in der Hauptstadt Mosambiks auf, dem heutigen Maputo. Im Zentrum ihrer Erinnerungen steht der Vater der Autorin, der seit den 1950er Jahren in Mosambik lebte und arbeitete. Den ärmlichen Verhältnissen der portugiesischen Provinz entflohen, entfaltet er seine Macht als Weißer, und die Tochter erlebt es hautnah mit. Ihre unschuldige Perspektive ist es, die die vermeintlich so „sanfte“ portugiesische Herrschaft in Übersee als Mythos entlarvt: Der Alltag ist von Diskriminierung, offenem Rassismus, Sexismus und Gewalt gegenüber der einheimischen Bevölkerung geprägt.

Aus der Distanz von vier Jahrzehnten verhandelt Isabela Figueiredo die koloniale Vergangenheit Portugals und stellt sich ihrer eigenen, vor allem der Beziehung zu ihrem Vater. Ihr erschütternder Bericht wurde, als er 2009 nach dem Tod ihres Vaters erstmals in Portugal erschien, sofort zum Skandal, denn der ungeschönte Blick auf die koloniale Vergangenheit war ein Tabubruch.

Die Journalistin und Schriftstellerin Isabela Figueiredo wurde 1963 in Lourenço Marques, dem heutigen Maputo, geboren und 1975, nach der Nelkenrevolution in Portugal und der Unabhängigkeit Mosambiks, zu Verwandten zurück ins Landesinnere Portugals geschickt. 2016 veröffentlichte sie den Roman A Gorda (dt. Die Dicke), der mehrfach ausgezeichnet wurde. Auf ihrem Blog publiziert sie regelmäßig Kurzprosa.