Im Englischen kann das Wort „mine“ sowohl als Ort der Mineralgewinnung als auch als Possessivpronomen übersetzt werden. Als ausgebeutetes Territorium und auch als Materialisierung des Selbst ist „Mine“ das Zentrum einer kapitalistischen Struktur und ihrer Muster.
In einer Mischung aus Hommage und Manifest lädt die Ausstellung Over (The) Mine das Publikum ein, über die dunklen Abgründe des Bergbaus nachzudenken und von dort aus die Karten der Zerstörung neu zu zeichnen, um Räume für andere Realitäten zu öffnen.
Lasst die Minen enden, nicht die Leben. Möge sich die egoistische Vorstellung von dem, was „mein“ ist, ändern. Dass die Zukunft von gestern die schmerzhaften Landschaften überwinden kann.
Die speziell für München entwickelten Werke werden in der Stadt, in der der Prozess um eines der schwersten Menschen- und Umweltverbrechen der jüngeren Geschichte stattfindet, der Öffentlichkeit vorgestellt: 2019 brach in der brasilianischen Stadt Brumadinho ein Erzdamm und tötete 272 Menschen sowie über viele Kilometer hinweg Tier- und Pflanzenbestände. Das Unternehmen, das die Sicherheit des Staudamms garantierte, hat seinen Sitz in München. Es bestreitet vor Gericht seine Verantwortung.
Außerdem investieren große deutsche Banken derzeit in Bergbauunternehmen, die direkt in Umwelt- und Menschenrechtskonflikte in Brasilien verwickelt sind. In diesem Zusammenhang ist die Ausstellung auch eine Warnung und ein Aufruf zum Handeln, denn trotz der physischen und symbolischen Entfernungen wirken sich die von den europäischen Ländern getroffenen Entscheidungen unmittelbar auf andere Territorien aus.
Die Künstlerinnen:
Isadora Canela ist eine international bekannte brasilianische Filmemacherin und bildende Künstlerin. Nach ihrem Abschluss an der Universität von Viçosa/Brasilien und einer Spezialisierung an der University of the Arts London (UAL) gewann sie den Expocom Award auf dem größten nationalen Medienkongress in Brasilien für ihren fotografischen Essay Vitrine über Gewalt gegen Frauen. Vor Kurzem hat sie den Kurzfilm Linhas Tênues über Sklavenarbeit in der Modeindustrie veröffentlicht, der auf Festivals in der ganzen Welt gezeigt wird. Derzeit arbeitet sie an dem Spielfilm In the Shadow of the Sun über das astronomische Wissen der Ureinwohner. Thema ihrer Arbeiten ist immer auch die Kunst als Mittel zur Veränderung sozialer, ökologischer und politischer Strukturen.
Zusammen mit den anderen aktuellen Gastkünstlerinnen im Ebenböckhaus forscht und arbeitet sie zum Thema Ausbeutung der Minen und ihrer Arbeiter*innen im Bundesstaat Minas Gerais und die Auswirkungen auf Land, Gesellschaft und Demokratie in Brasilien. Nach Jahren des Sammelns von Material lassen die drei nun, diese Arbeit in Form einer künstlerisch-sensorischen Installation Gestalt werden.
Lis Haddad, geboren 1981 in Belo Horizonte/Brasilien, ist bildende Künstlerin und Schmuckdesignerin. Seit 2017 lebt sie zwischen Brasilien und Asien. Sie untersucht, wie Kunsthandwerk und Körperschmuck zu Werkzeugen für die Dekolonialisierung von Design und Ästhetik werden können. Besonders hervorzuheben unter ihren zahlreichen Arbeiten ist die Koordinierung der Abteilung für Schmuck- und Stiftungsdesign des Arch College of Design and Business, Jaipur/Indien (2017-2018), die Entwicklung und das Mentoring des Labors für kreative Prozesse ‚The Expanded Jewelry‘ (2015-2018) und die künstlerische Leitung des Dokumentarfilms Concrete Dreams: Skating Niemeyer. Sie ist Teil des Künstler*innenkollektivs MI(EA)NING.
Thais Paiva, drittes Mitglied des Künstlerinnenkollektivs M(EA)NING, lebt derzeit in Berlin und ist Fotografin und Architektin. Ihre Arbeit beruht auf umfangreichen Forschungen zwischen Asien und Ozeanien in Verbindung mit städtebaulichen Philosophien, um die Kunst und die Architektur als Werkzeug für soziale Inklusion nutzen zu können. Ihre Video- und Fotoarbeiten wie die Fotoessays Artisan Tofu Supporting Generations oder Lost Children in a Labyrinth of Slave Labour sollen Diskussionen auslösen über Wachstum und Verantwortung, mit der Hoffnung auf Reformen, die soziale Ungleichheiten verringern.