Lebenszeichen aus dem Land, das von der Corona-Pandemie derzeit am zweitstärksten betroffen ist: Luiz Ruffato, zweifellos eine der wichtigsten literarischen Stimmen aus Brasilien, stellt bei einer Online-Lesung die unveröffentlichte Kurzgeschichte „Glücksspiel, Wasser, Feuer, Schmerz“ vor, übersetzt von Michael Kegler. Im Anschluss gibt es die Möglichkeit, per Chat an einer Diskussion mit dem Autor teilzunehmen.
Luiz Ruffato wurde 1961 in Cataguases, Minas Gerais, geboren. Er arbeitete u.a. als Verkäufer und Mechaniker und studierte Journalismus. Ruffatos Romane (auf dt. bei Assoziation A erschienen) beleuchten kritisch die starken sozialen Unterschiede in Brasilien, indem sie die Perspektiven derer einnehmen, die sonst nicht zu hören sind. Für ihn ist das Schreiben verpflichtendes Engagement. Der Schriftsteller lebt in São Paulo.
Der Übersetzer Michael Kegler wurde 1967 in Gießen geboren und hat einen Teil seiner Kindheit in Liberia und Brasilien verbracht. Er arbeitete als Buchhändler und Journalist und übersetzt seit Ende der Neunzigerjahre aus dem Portugiesischen.
Der Autor und sein Übersetzer wurden 2016 mit dem Internationalen Hermann-Hesse-Preis ausgezeichnet.
Der angolanische Schriftsteller José Eduardo Agualusa stellt seinen Roman Eine allgemeine Theorie des Vergessens (Verlag C.H. Beck, 2017) zusammen mit seinem Übersetzer Michael Kegler vor.
Am Vorabend der angolanischen Revolution ergreifen die ehemaligen Kolonisatoren panisch die Flucht. Ludovica, eine schüchterne Portugiesin, bleibt zurück. Sie traut sich nicht aus dem Haus, zieht zwischen Wohnungstür und Treppenhaus eine Mauer hoch und richtet sich, einem Robinson Crusoe ähnlich, in ihrer Insel ein: dem letzten Stock eines feinen Hochhauses in Luanda, das unter den unterschiedlichsten Akteuren des jahrzehntelangen Bürgerkrieges zu einer Behausung von Armen und Flüchtlingen mutieren wird. Von ganz oben, mit Blick auf den wachsenden Moloch Luanda, wird sie von den Umwälzungen nur wenig mitbekommen und dennoch ohne Absicht und durch eine Kette von Zufällen das Leben einiger Menschen beeinflussen. In ihrer Einsamkeit notiert Ludovica an den Wänden des Appartements ihr Leben, so wie der Roman die vielen Lebensgeschichten aufschreibt, um gegen die allgemeine Theorie des Vergessens die Erinnerungen eines Landes lebendig zu halten.
José Eduardo Agualusa gelingt es, mit Empathie für seine Protagonisten und heiterer Leichtigkeit, schwere Themen zu behandeln wie Krieg und Gewalt, Korruption und Gier, Angst und Hass.
José Eduardo Agualusa, 1960 in Huambo/Angola geboren, studierte Agrarwissenschaft und Forstwirtschaft in Lissabon. Seine Gedichte, Erzählungen und Romane wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Eine allgemeine Theorie des Vergessens stand auf der Shortlist des Man Booker International Prize 2016. Agualusa lebt als Schriftsteller und Journalist zurzeit in Mosambik.
Michael Kegler erhielt 2014 den Straelener Übersetzerpreis und, gemeinsam mit dem von ihm übersetzten Luis Ruffato, 2016 den Hermann Hesse-Preis der Stadt Calw. Er übersetzte auch die drei zuletzt auf Deutsch erschienenen Romane von Agualusa.
Eine Veranstaltung der Münchner Stadtbibliothek in Kooperation mit LUSOFONIA e.V. und dem C.H. Beck Verlag
Luiz Ruffatos Romanzyklus Vorläufige Hölle ist ein historisches Porträt Brasiliens auf dem Weg von der Agrargesellschaft der 1950er-Jahre in die postindustrielle Zeit, aus der Perspektive derer, die in der brasilianischen Literatur bisher keine eigene Stimme besaßen: die arbeitenden, gewöhnlichen Menschen. Sein „kollektiver Roman aus der Perspektive von Individuen“ wechselt Perspektiven und Erzählzeiten, gehorcht eher der subjektiven Ordnung des mündlichen Erzählens und Erinnerns als einer strengen Chronologie und vermengt Geschehenes mit Gehörtem zu auch sprachlich faszinierenden Collagen.
Nach Mama, es geht mir gut und Feindliche Welt, die bereits in deutscher Übersetzung vorliegen, konzentriert sich der dritte Teil des Romanzyklus‘, Teilansicht der Nacht, der im Frühjahr 2017 erscheint, auf die 1970er-Jahre zwischen Militärdiktatur, Pop und vermeintlichem Fortschritt im brasilianischen Hinterland, wo alles ein wenig staubiger ist als in den verlockenden Metropolen.
Luiz Ruffato gilt als einer der wichtigsten Schriftsteller Brasiliens, seine Romane zählen bereits jetzt zu den modernen Klassikern. Sein „kapitalistischer Realismus“ macht ihn zu einem großen Erzähler der Gegenwart. Ruffato gibt den Einwanderern und den Landflüchtigen, den Glückssuchern und den Enttäuschten eine Stimme. Sein Werk erscheint auf Deutsch bei Assoziation A (Berlin/Hamburg). Der Autor und sein Übersetzer Michael Kegler wurden 2016 mit dem Internationalen Hermann-Hesse-Preis ausgezeichnet.
Mit musikalischer Umrahmung: Henrique de Miranda Rebouças spielt chôrinho brasileiro
Eine Veranstaltung von Lusofonia e.V. – Verein zur Förderung und Verbreitung der Kulturen aus portugiesischsprachigen Ländern, mit freundlicher Unterstützung des Kulturreferats der LH München