Beatriz Bracher Die Verdächtigung
Assoziation A, 2015
Brasilien hat seit dem Regierungswechsel 2003 einen beachtlichen Entwicklungsprozess vollzogen. Unter den Präsidentschaften von Lula da Silva und Dilma Rousseff, beide Arbeiterpartei PT, gelang es, wirtschaftliches Wachstum mit sozialem Fortschritt zu verbinden. Brasilien ist international nicht mehr zu überhören, weder politisch, noch wirtschaftlich, noch kulturell. Doch hinter der „attraktiven Fassade“ von Fußball, Copacabana, Karneval und Amazonas steckt auch eine dramatische soziale Ungleichheit in der Gesellschaft. Auch wenn die sozialen Protestbewegungen, die im Juni 2013 im Rahmen des Confederation Cups aufgekommen sind, mittlerweile wieder an Intensität verloren haben, so ist das Land nach wie vor sozial zerrissen. Die bis heute weitgehend unverarbeitete Vergangenheit Brasiliens trägt dazu bei.
Beatriz Bracher verarbeitet in ihrem Roman Die Verdächtigung das Trauma der brasilianischen Militärdiktatur von 1964 bis 1985. Der Protagonist, ein ehemaliger Lehrer, jetzt pensioniert, zieht in eine Kleinstadt um. Das Aufräumen des alten Elternhauses bietet ihm Gelegenheit, sein eigenes Leben bis hin zur Jugendzeit Revue passieren zu lassen. Er engagierte sich damals politisch und bekam mit dem Militärregime Schwierigkeiten. Er war sich sicher, auch unter Folter niemanden verraten zu haben und doch wurde er ein Leben lang verdächtigt und für den Tod seines Freundes und Schwagers verantwortlich gemacht.
Der Autorin gelingt es mit diesem komplexen und assoziativ konstruierten Roman, persönliche und gesellschaftliche Tragödien zusammenzubringen. Der Ich-Erzähler reflektiert nicht nur über Begebenheiten und Begegnungen, sondern versucht vor allem, die eigenen Erinnerungen zu ordnen und sie in den größeren gesellschaftlichen Zusammenhang brasilianischer Zeitgeschichte zu stellen.
Der Roman, eine Reflexion über subjektives und kollektives Gedächtnis, über Erkenntnis und Schweigen, kann auch als eine leidvolle Absage an Utopien und Träume gelesen werden. Darüber wollen wir gemeinsam mit der brasilianischen Autorin Beatriz Bracher und Prof. Dr. Ursula Prutsch, LMU, Lehrstuhl für Amerikanische Kulturgeschichte diskutieren.
Mit Beatriz Bracher und Prof. Dr. Ursula Prutsch
Deutsche Lesung und Dolmetschen: Patrícia Viegas-Louro
Moderation: Vera Cornette, Bayerischer Rundfunk
Eintritt 8 € / ermäßigt 5 €
Um Anmeldung wird gebeten
Information und Anmeldung: www.bayernforum.de
oder per Mail: bayernforum@fes.de
Lothringer 13, Rroom
Lothringer Str. 13
81667 München
www.lothringer13.de
Eine Veranstaltung des BayernForum der Friedrich-Ebert-Stiftung
In Kooperation mit Lusofonia e. V.
Brasilianische Literatur in München
in der Buchhandlung Literatur Moths, Rumfordstr. 48, 80469 München
Einführung und Moderation: LuÍsa Costa Hölzl
Deutsche Lesung: Wanda Jakob
Im Rahmen der neuen Lesereihe ZEPPELINpoético – Brasilianische Literatur in München hat die brasilianische Schriftstellerin und Drehbuchautorin Beatriz Bracher (geb. 1961 in São Paulo) aus ihrem Roman Antonio gelesen.
Darin lüftet der 30jährige Benjamin Kremz kurz vor der Geburt seines ersten Sohnes ein gut gehütetes Familiengeheimnis, das über mehrere Generationen hinweg weitreichende Folgen hat. In Gesprächen mit der Großmutter und den Freunden seines Großvaters und Vaters erfährt er, wie es dazu kommen konnte, dass seine Mutter sowohl von seinem Großvater als auch von seinem Vater je einen Sohn bekam.
Beatriz Bracher inszeniert eine vielstimmige und poetische Erzählung, deren Protagonisten über Verwicklungen in individuelle und historische Belange, über Hadern mit Betrug und Unschuld und über Miltärdiktatur und Widerstand sprechen. Ihre persönlichen Erfahrungen bieten dem Leser ein facettenreiches und bewegendes Bild der gehobenen brasilianischen Mittelschicht im 20. Jahrhundert.
Beatriz Bracher schreibt eindrücklich und präzise, die Stimmen ihrer Charaktere sind energisch und reich an Gefühlen.
Mit freundlicher Unterstützung des Kulturreferats der Landeshauptstadt München