Luiz Ruffatos Romanzyklus Vorläufige Hölle ist ein historisches Porträt Brasiliens auf dem Weg von der Agrargesellschaft der 1950er-Jahre in die postindustrielle Zeit, aus der Perspektive derer, die in der brasilianischen Literatur bisher keine eigene Stimme besaßen: die arbeitenden, gewöhnlichen Menschen. Sein „kollektiver Roman aus der Perspektive von Individuen“ wechselt Perspektiven und Erzählzeiten, gehorcht eher der subjektiven Ordnung des mündlichen Erzählens und Erinnerns als einer strengen Chronologie und vermengt Geschehenes mit Gehörtem zu auch sprachlich faszinierenden Collagen.
Nach Mama, es geht mir gut und Feindliche Welt, die bereits in deutscher Übersetzung vorliegen, konzentriert sich der dritte Teil des Romanzyklus‘, Teilansicht der Nacht, der im Frühjahr 2017 erscheint, auf die 1970er-Jahre zwischen Militärdiktatur, Pop und vermeintlichem Fortschritt im brasilianischen Hinterland, wo alles ein wenig staubiger ist als in den verlockenden Metropolen.
Luiz Ruffato gilt als einer der wichtigsten Schriftsteller Brasiliens, seine Romane zählen bereits jetzt zu den modernen Klassikern. Sein „kapitalistischer Realismus“ macht ihn zu einem großen Erzähler der Gegenwart. Ruffato gibt den Einwanderern und den Landflüchtigen, den Glückssuchern und den Enttäuschten eine Stimme. Sein Werk erscheint auf Deutsch bei Assoziation A (Berlin/Hamburg). Der Autor und sein Übersetzer Michael Kegler wurden 2016 mit dem Internationalen Hermann-Hesse-Preis ausgezeichnet.
Mit musikalischer Umrahmung: Henrique de Miranda Rebouças spielt chôrinho brasileiro
Eine Veranstaltung von Lusofonia e.V. – Verein zur Förderung und Verbreitung der Kulturen aus portugiesischsprachigen Ländern, mit freundlicher Unterstützung des Kulturreferats der LH München
Bayerisch-brasilianischer Chôro
Luftig-leichte Kleidung, ein federnder Gang, Virtuosität und jede Menge guter Laune: Die fünf Musiker der Münchner Band Bavaschôro wissen, wie man in Brasilien leibt und lebt. An sonnigen Sommertagen verwandeln sie kleine Straßen und Cafés (wie das winzige Café Henry in der Au) in ein Fleckchen Rio de Janeiro, wenn sie ihre Instrumente aus den Koffern holen und brasilianische Chôromusik nach Bayern bringen. Nun stellen sie ihr Debütalbum vor, das 2016 erschienen ist.
Bavaschôro sind fünf Jungs – alle professionelle Musiker – die ausgehend von unterschiedlichen Genres und Musiktraditionen zum Chôro gekommen sind: Der Gitarrist Henrique de Miranda Rebouças und der Saxophonist und Komponist Marcio Schuster sind gebürtige Brasilianer. Die Brüder Ludwig (Percussion, Horn und Tuba) und Xaver Himpsl (Flügelhorn), beide Mitglieder der „Unterbiberger Hofmusik“, erweitern das klassische Chôro-Repertoire um Einflüsse der bayerischen Volksmusik und des Jazz. Gitarrist Luís Maria Hölzl – halb Portugiese, halb Bayer – ergänzt die Gruppe mit portugiesischer Gitarre und Interpretationen aus dem klassischen südamerikanischen Gitarrenrepertoire.
Aline Frazão ist eine der aufregendsten angolanischen Musiker:innen der neuen Generation. Das musikalische Universum der Singer-Songwriterin ist äußerst vielseitig: Ihr aktuelles Album Insular verbindet unter anderem eine entlegene schottische Insel mit einem portugiesischen Rocker, einem britischen Produzenten – und die Lieder und die Stimme von Aline Frazão, einer jungen Frau aus den Tropen. Die Künstlerin wollte alle Stereotypen angolanischer, brasilianischer oder jazziger Töne abschütteln – und sich selbst neu erfinden. Das ist der Sängerin, deren Stimme immer voller Emotion und Energie klingt, mit ihren sinnlichen Songpoesien mehr als gelungen. Mit Insular ist ein Album von melancholischer Schönheit entstanden, ein Werk voller Klangreichtum zwischen Jazz, Rock, Noise und akustischer Musik.
www.alinefrazao.com
Video „Insular“
Eine Veranstaltung des Muffatwerks mit freundlicher Unterstützung von LUSOFONIA e.V.
Kürzesterzählungen brasilianischer Autoren von ein paar Zeilen bis zu etwas mehr als einer Seite fiktionalisieren modern, urban und verknappt Erfahrungen des Alltags in der Megacity São Paulo. Die Texte von Marçal Aquino, Marcelino Freire, Ivana Arruda Leite, Luiz Ruffato und Veronica Stigger aus „Microcontos – Minigeschichten aus Brasilien“, hrsg. von Luísa Costa Hölzl (dtv zweisprachig, 2013) werden von Luís Maria Hölzl (Gitarre/Violine) und Henrique de Miranda Rebouças (Gitarre/Percussion) mit zeitgenössischer brasilianischer Musik mit Bezug zu São Paulo interpunktiert und zweisprachig von Wanda Jakob (deutsche Übersetzung) und Ricardo Eche (portugiesisches Original) gelesen.
Die Lesung findet statt im Rahmen der Reihe Teamtheater.Global.São Paulo, die sich im Oktober gemeinsam mit dem Zuckerhutverlag der zeitgenössischen Dramatik aus dem brasilianischen Bundesstaat São Paulo widmet.
Weiteres Programm:
Mittwoch 12. Oktober 2016, 20 Uhr
WÜSTES LAND – AGRESTE
Newton Moreno nähert sich nach einer wahren Begebenheit dem Thema Homoerotik auf unerwartete Weise. Populäre Erzähltradition, poetische Sprachgewalt und Live-Musik schaffen eine eindrückliche Atmosphäre.
Szenische Lesung mit Ursula Berlinghof – Musik: Henrique de Miranda Rebouças
Einrichtung: Nina Alpers
Im Anschluss Eröffnungsempfang mit Bewirtung durch Buena Vista Bar.
Freitag 14. Oktober 2016, 20 Uhr
Wer Augen hat, der sehe
Aus dem Roman Es waren viele Pferde von Luiz Ruffato, einem der derzeit wichtigsten Schriftsteller Brasiliens, haben Zernesto Pessoa und Pedro Pires eine filmisch geprägte Szenenfolge über die sozialen Verhältnisse in São Paulo entwickelt.
Szenische Lesung mit Gabriele Graf, Julian Ricker, Claudia Schmidt, Timo Wenzel, Ulrich Zentner
Einrichtung: Frank Weigand
Im Anschluss Gelegenheit zum Gespräch mit den Autoren und dem Übersetzer Michael Kegler
Donnerstag, 20. Oktober 2016, 20 Uhr
Neue Verordnungen für die Zeiten nach dem Krieg
In Bosco Brasils mehrfach ausgezeichnetem, international nachgespieltem und 2008 verfilmtem Einakter zum Thema Flucht trifft ein vor den Nazis geflohener Schauspieler 1945 in der brasilianischen Einwanderungsbehörde auf einen gnadenlosen Verhörspezialisten.
Szenische Lesung mit Florian Fisch und Daniel Pietzuch
Einrichtung: Barry Goldman
Im Anschluss Gelegenheit zum Gespräch mit dem Autor (via skype) und der Übersetzerin Angela Meermann
Marrabenta, Capulana, Uputsu und mehr… Eine zweiwöchige Studienreise durch Deutschland bringt fünf Studierende aus Maputo auch nach München. Mit anschaulichen Kurzpräsentationen und in einer Gesprächsrunde werden Elisa Mondjane, Rosalina Mondlane, Moisés Chaisse, Altino Macie und Valdo Dombe, Studierende an der Pädagogischen Universität von Maputo, uns Bilder, Kulturen und Alltagsobjekte näherbringen, verschiedene Instrumente zum Klingen bringen und ihre Beobachtungen der kulturellen und politischen Wirklichkeit zur Diskussion stellen.
Das Projekt „Sommer in Deutschland“, initiiert von der DAAD-Lektorin Susanne Jahn in Maputo, bringt die Deutsch lernenden Studierenden nach Deutschland. Es hat unter anderem zum Ziel, über Kultur- & Kunstaktionen in Maputo das Interesse an den deutschsprachigen Ländern zu wecken, und bringt uns im Gegenzug an diesem zweisprachigen, interkulturellen Gesprächsabend in konkreter Form auch die Kulturen Mosambiks näher.
Organisation und Moderation: Wanda Jakob und Luísa Costa Hölzl
Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem Interkulturellen Forum www.ikforum.org
Das Projekt wird u.a. von der Pädagogischen Universität von Maputo und der dortigen deutschen Botschaft gefördert.
Zwei Kollegen der fünf Gäste, die im Januar einen Intensivkurs in Münster absolvierten, berichten in einem kleinen Clip von ihren Erfahrungen: https://www.youtube.com/watch?v=PyccTalq5XU&feature=youtu.be